8 Sinnes-Momente am 08.02.2024
8sammeln meets Luzerner Fasnacht! Meine Atem- und Blog-Kollegin Susanne Wagner lädt am 8. eines Monats jeweils zu einer Sinnesreise ein. Es geht beim 8SAMMELN darum, jeweils am 8. des Monats 8 Momente mit achtsamer Wahrnehmung zu sammeln. Diese Momente werden zuerst wertfrei mit allen Sinnen beobachtet und in ihrer Qualität wahrgenommen und erst dann bewertet. Regelmässiges achtsames und bewusstes Wahrnehmen von Alltagsmomenten hilft, ganz bei sich zu sein, fördert die Dankbarkeit, kann entspannen und Stress abbauen.
Dieses Mal fällt der 8. des Monats auf den Start der Luzerner Fasnacht, welcher traditionsgemäss morgens um 5 Uhr mit dem Urknall beginnt. Ich bin eine begeisterte Fasnächtlerin und eine ebenso leidenschaftliche Atemtherapeutin und Achtsamkeitslehrerin. Was liegt also näher als Fasnacht und Achtsamkeit für einmal auf diese Art und Weise zu verbinden. Ich kann dir sagen: Das war eine echt intensive und zum Teil herausfordernde Kombination!
#1 Gespanntes Warten
Das leuchtende Orange sticht mir bei aller Dunkelheit rundherum grell ins Auge. Diese Gestalten sind nicht verkleidet und symbolisieren für mich Vernunft und Zuverlässigkeit im überbordenden fasnächtlichen Chaos. Alles wartet auf den (Ur)-Knall, den Startschuss der Luzerner Fasnacht. Ich erhalte von überall aus meinem Körper Signale von Anspannung. Auch wenn ich lache, nehme ich eine leichte muskuläre Blockade in meinen Wangen wahr. Mein Atem hat sich zurückgezogen. Er zeigt sich verhalten und zaghaft. Ich bin überrascht, wie ich einer der schönsten Momente im Jahr körperlich wahrnehme. Damit habe ich nicht gerechnet.
#2 Vieles ist zu viel
Ein Knall, ein Feuerwerk… und eine unvorstellbare Symphonie von Wahrnehmungen stürmt auf meine Sinne ein. Die Ohren werden von fasnächtlichem Sound aus verschiedenen Richtungen beschallt und die Nase wehrt sich gegen ein Zuviel an Weihrauch. Meine innere Anspannung beginnt sich zaghaft zu lösen, weil ich mich im Takt der Musik bewege. Auch wenn für meine Wahrnehmung vieles zuviel ist, fühlt es sich doch an wie eine Befreiung. Eine Befreiung aus der Anspannung, aus der Starre. Endlich kommt Bewegung ins Spiel. Passend dazu schreit Bruder Fritschi‘s Narr „Brüelle!“ in die Menge.
#3 Wenig Raum und viel Gähnen
Es ist eng. Rund um mich und in mir. Mein natürliches Raumgefühl und Grenzbedürfnis steht auf dem schärfsten Prüfstand. Ich dränge sie in den hintersten Ecken meiner Wahrnehmung. Meine innere Alarmglocke wäre sonst im Dauereinsatz. Ich spüre die Hand meines Mannes in meiner. Sie strahlt angenehme Wärme ab und wirkt wie ein kleines Stück Sicherheit und Orientierung in der Menge. Ich konzentriere mich auf die Musik. Mein Körper reagiert instinktiv darauf und beginnt sich im Takt zu bewegen. Meine Muskeln freut‘s. Die Bewegung tut gut. Mein Atem nimmt zaghaft zwischendurch ein, zwei tiefere Luftzüge. Ich beginne zunehmend mehr zu gähnen.
#4 Mehr Platz reguliert den Atem
Die Strassen leeren sich etwas. Viele Fasnächtler und Guggenmusiker sind beim Frühstück. Mein Atem reagiert unmittelbar auf die visuelle Leere. Tief und breit strömt er nun in meine Lungen. Meine Muskeln lösen ihre Spannung mehr und mehr. Ich geniesse den Raum um mich. Gross ist der Gegensatz zu vorher, aber auch sehr wohltuend. Ohne die 8sammeln Momente an diesem speziellen Tag würde ich diesen Unterschied wohl kaum so deutlich wahrnehmen. Es beeindruckt mich zutiefst, wie schnell und problemlos mein Atem und mein Körper sich an die veränderten Umstände anpassen können. Dankbarkeit erfüllt mich.
#5 Angekommen in der Fasnacht
Ich stehe in einer grossen Menge Menschen vor uns eine spielende Guggenmusik. Ich spüre meine wärmenden Schuhe und wie weich meine Füsse darin liegen. Die Musik stürmt ziemlich laut auf meine Ohren ein und animiert mich zum Mitsingen und Tanzen. Ich nehme wahr, dass meine Muskeln deutlich lockerer und entspannter sind als noch vor wenigen Stunden und auch mein Raumgefühl steht nicht mehr unter Dauer-Bedrängnis. Auch wenn der Platz voller Menschen ist, habe ich etwas Raum um mich. Ich fühle mich angekommen, bei mir und in der Fasnacht. Mein Atem fliesst kraftvoll, zügig und rhythmisch.
#6 Erfrischendes Wasser löst Seufzger aus
Ich habe Hunger und Durst, setze die Flasche mit Wasser an und spüre, wie das kühle Wasser meine Speiseröhre hinunterströmt. Es erfrischt und löst einige tiefe Atemzüge und einen leisen Seufzger aus. Mit Appetit beisse ich in das Frischkäse Sandwich und nehme in meinem Gaumen eine Vielzahl von Geschmäcker wahr. Zum Teil vertraut cremig-salzig, zum Teil überraschend fruchtig-süss. Mein Schritt verlangsamt sich, mein Atem ebenfalls und ich nehme eine stille Freude und Zufriedenheit in mir wahr.
#7 Umgeben von Herzensmenschen getragen werden
Endlich sitzen. Ich nehme die weiche Polsterung des Sessels unter meinem Po wahr und geniesse es, getragen und gehalten zu werden. Meine Rückenmuskulatur braucht etwas länger, bis sie realisiert, dass nun auch sie nicht mehr halten muss und abgeben darf. Meine Augen streifen über die vielen Herzensmenschen um mich, während meine Ohren sich an den veränderten Geräuschpegel gewöhnen. Mein Atem verschafft sich Raum mit Gähnen und einigen tiefen Atemzügen. Nun fliesst er wieder breiter und weicher bis in den Bauch.
#8 Im Nachklang schwingt eine stille Freude
Eine kurze Pause zuhause. Ich nehme den Raum und die Leere um mich wahr. In meinen Ohren rauscht es noch etwas. Stille und Ruhe breiten sich mehr und mehr aus. Ich trinke einen Rooibos Tee. Er wärmt meinen Körper von innen. Sein warmer, voller Duft streift meine Nase. Der Zucker vom Apfelberliner knirscht zwischen meinen Zähnen. Mein Gaumen nimmt Zimt und weiche Apfelstücklein wahr. Ich habe mich von den vielen Kleiderschichten befreit. Meine Schultern fühlen sich plötzlich sehr leicht an. Ein Gefühl von Wärme und Freude über den zurückliegenden ersten Fasnachtstag breitet sich in meinem Herzen aus.
Meine 8SAMMELN-Erkenntnis des Tages
Ich bin sehr dankbar für die Erfahrung, während eines so speziellen und für mich emotional wichtigen Tages mich und meinen Körper immer wieder achtsam wahrgenommen zu haben. Auch wenn ich es zuweilen als anstrengend erlebt habe. Normalerweise habe ich keine Mühe, innezuhalten, den Augenblick über meine Sinne bewusst wahrzunehmen und diesen Zeitraum etwas zu halten. Inmitten des fasnächtlichen Trubels fiel mir das aber sehr schwer. Zu intensiv und vielfältig waren die Aussenreize, die auf mich einströmten. Schnell war ich abgelenkt und beim nächsten Reiz.
Beeindruckt und berührt haben mich zwei Erkenntnisse:
- Mein bedrängtes Raumbedürfnis, die Reaktion meines Atems und meine Strategie, damit umzugehen.
- Ankommen braucht seine Zeit! Das gilt auch bei der Fasnacht.
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Susanne Wagner Atemtherapie (Freitag, 09 Februar 2024 18:19)
Liebe Eveline
Vielen Dank für deinen fasnächtlichen 8sammel-Beitrag! 8 Juwelen habe ich gelesen, edle differenzierte Wahrnehmungsfunkeleien. Beeindruckend, wie du das Erleben mit allen Sinnen bei solch herausfordernder Umgebung mitgenommen und ins Bewusstsein geholt hast! Gähnen finde ich natürlich immer eine gute Strategie: Ein Ausweg, wenn es an Platz fehlt, denn der innere Raum, den ich mir jederzeit ergähnen kann, macht mir niemand streitig. Diese Orte kenne nur ich bei mir und du bei dir, hoffentlich immer mehr Menschen auch bei sich.
Herzlich
Susanne
Silke Hüchel-Steinbach (Samstag, 10 Februar 2024 20:54)
Hallo Eveline, ich als Faschingsverweigerin, bin doch fasziniert von deinen Beschreibungen. Tatsächlich verstehe ich nun mehr, warum ich es nicht so mag: voll, eng, laut, überreizend. Das erlebst du auch und doch genießt du es und deine Wahrnehmungen und dein Atmen sind dir Partner dabei. Es geht also sowohl als auch.
Danke für diese Perspektive.
Herzlichst Silke