Yoga am Morgen. Im Moment ein Muss für meinen Rücken. Kaum beginne ich mich zu strecken und bewegen, durchzuckt mich ein stechend-ziehender Schmerz im Kreuzbereich. Ich atme bewusst in diese Gegend hinein und bewege mich im Zeitlupentempo. Der Schmerz kommt und geht, je nachdem wie ich mich bewege. Zwischendurch nehme ich die weiche, gummige Matte unter meinen Füssen und Händen wahr, ebenso wie die schmerzfreien Momente und diejenigen, in denen ich die Muskulatur noch ein Stück mehr loslassen kann. Die Schmerzen und Spannungen nehmen mehr und mehr ab, bis ich das Gefühl habe, mich wieder frei und ungehindert bewegen zu können. Das freut mich sehr.

Draussen herrscht leichter Nebel. Als Herbst-Kind freut mich das. Nebel war für mich immer eine Einladung, es mir drinnen gemütlich zu machen. Heute spüre ich Müdigkeit in mir und die Sehnsucht, dem nachgeben zu können. Sofort klopft bei meinem Verstand mein innerer Antreiber "Beeil dich!" an. Meine To Do Liste ist heute lange und mit wichtigen Aufgaben gefüllt. Ich mache das Fenster zum Lüften auf und strecke meine Nase hinaus. Sie schnuppert frische, kühle Luft und freut sich darüber. Meine Körpervorderseite und meine Füsse schrecken vor der Kälte aber zurück.

Zum Frühstück gibt‘s gebackene Haferflocken mit Banane und Kakaopulver. Meine Nase erwischt einen leichten Duft von Schoggi und Nuss, als ich die Schale vor mir abstelle. Mein Mund nimmt die leicht körnige Konsistenz der Flocken war, spürt den Gegensatz der warmen Süsse der gebackenen Haferflocken und der kühlen Säure des Joghurts. Zwischendurch beisse ich auf die kleinen Schoggi Smarties. Mein Auge erfreut sich heute ganz besonders an diesen bunten Farbtupfern.

Die Müdigkeit zieht sich durch den Tag. Mein Kopf fühlt sich dumpf und neblig an, mein Körper träge und langsam. Ein krasser Kontrast zu meiner langen To Do Liste und dem starken, inneren Gefühl von „Beeil dich!“ Bei der Wahl der Kaffeetasse rutscht mir ein spontanes „Ich brauch Konfetti“ raus. Mein Herz freut sich darüber. Mein Kopf ist für kurze Zeit wach und anwesend. Mir entschlüpft ein Lachen.

Bildschirmarbeit. Ich spüre die sanfte Glätte der Tastaturfelder unter meinen Fingerkuppen und höre das Klackern der Tasten. Meine Augen sind mehrheitlich starr auf den Bildschirm gerichtet. Von ihnen nehme ich einzig den regelmässigen Wimpernschlag wahr. Erschreckend wie wenig ich meinen Körper wahrnehme. Als ob ich nur aus Gehirn, Augen und Fingerkuppen bestehen würde. Zunehmend meldet sich jedoch mein oberer Rücken mit einem dumpfen Druck zwischen den Schulterblätter. Mein Atem versucht sich dort mit ein paar tiefen Einatemzügen mehr Platz zu verschaffen, was einen ziehenden Wohlfühlschmerz auslöst. Meinem inneren Antreiber gelingt es trotz allem, mich pflichtbewusst am Computer zu halten.

Der innere Antreiber hat verloren. Beim Anblick des sonnenbeschienenen Balkons wird mir plötzlich klar, wie sehr ich heute mit meiner Müdigkeit gehadert habe und mich das Aufrechthalten dieser inneren Spannung zwischen „Bedürfnis nach Pause“ und „Beeil dich“ mich zusätzlich Energie gekostet hat. Meinen Espresso trinke ich deshalb ganz bewusst auf dem Balkon. Meine erste, „wirkliche“ Pause heute. Die Sonne streichelt meinen Körper. Die frische Luft klärt und beruhigt meinen Geist. Meine Augen schweifen umher und erfreuen sich an der Helligkeit und Klarheit. Ich atme tief und ruhig. Meine Schultern beginnen sich zu entspannen.

Mit einem langen, tiefen und lauten Ausatem klappe ich den Laptop für heute zu. Meine Bewegung ist energisch. Ich spüre die Laptop Hülle unter meinen Fingerkuppen. Eine breite, eher rauhe Fläche, ganz im Gegensatz zu den kleinen, glatten Tastaturfeldern, die ich den grössten Teil des Tages unter meinen Fingerbeeren gespürt habe. Fertig! Mit diesem Gedanken beginne ich mich zu strecken. Gebe dem Bedürfnis meines Körpers nach Raum und Bewegung nach. Der Atem folgt mit tiefen Ein- und Ausatemzügen. Es fühlt sich befreiend an. Der Kopf wird zunehmend leichter. Dafür spüre ich jetzt die körperliche Müdigkeit.

Beim Nähen spüre ich den Stoff unter meinen Fingern entlang gleiten. Ich höre das Schnurren des Nähmaschinen-Motors und sehe das gleichmässige Auf und Ab der Nadel. Ein ums andere Mal. Das Gleichmässige an dieser Bewegung hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Mein Atem wird noch etwas tiefer und mein Oberkörper beginnt sich noch mehr zu entspannen.