8 Sinnes-Momente am 08.06.2024
Nach einer Sammel-Pause im Mai freue ich mich ganz besonders wieder auf das 8SAMMELN, zu dem meine Atem- und Blog-Kollegin Susanne Wagner jeweils am 8. des Monats aufruft. Stand der "ungesammelte" Mai ganz im Zeichen von hochkonzentriertem und fokussiertem Schreiben am Buch, an welchem ich zusammen mit einer Kollegin schreibe, so durchzieht Musik das 8SAMMELN im Juni. Ich bin nämlich als Gästebetreuerin an zwei Konzerten im KKL Luzern dabei.
Ich bin neugierig, wie es mir dieses Mal gelingt, mich mit allen Sinnen auf acht Momente während des Tages einzulassen und was ich dabei erfahre...
#1 Wieder mehr bei mir
In der sehr dichten Schlussphase beim Arbeiten am Rohmanuskript verzichtete ich auf mein morgendliches Meditieren. Mehrheitlich weil ich durch das Schreiben bis tief in die Nacht hinein morgens kaum aus den Federn kam. Heute nehme ich mir aber wieder bewusst Zeit dafür:
Ich nehme das Meditationskissen und der Boden unter meinem Gesäss und den Beinen wahr, spüre die flauschige und wärmende Decke, die über den Beinen liegt und merke, wie ich mehr und mehr auf dem Kissen und Boden ankommen, Gewicht abgeben kann und sich dadurch auch meine Schultern nach unten senken. Der Verstand ist immer noch am Arbeiten, so wie er es die vergangenen Wochen täglich bravourös gemacht hat. Ich versuche geduldig mit mir und meinem Verstand zu sein und lenke die Aufmerksamkeit bei jedem festgestellten Abtriften wieder zurück zu meinem Atem. So komme ich mehr und mehr bei mir an.
#2 Saftige Süsse
Beim Vorbereiten des Frühstücks werden meine Augen vom leuchtenden Rot der Erdbeeren angezogen. Ihr aromatischer Duft zieht an meiner Nase vorbei. Nur schon beim Gedanken an den ersten Biss läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich spüre den kühlen Saft an meinen Lippen und kurz darauf in der Mundhöhle. Meine Zunge zerdrückt die Beere und ich nehme ihren einzigartigen Geschmack und Süsse im Gaumen wahr. Ich liebe die Erdbeere. Sie ist für mich - zusammen mit der Spargel - ein Sinnbild des Frühsommers, auf das ich mich bereits während des Winters freue.
#3 Duft des Sommers
Ich spüre frühmorgens in mir die Vorfreude auf den Sommer. Keine Ahnung, woher dieses Gefühl kommt. Sind es die Sonnenstrahlen, die ins Badezimmer scheinen? Die Temperaturen sind es auf jeden Fall nicht. Die Vorfreude löst eine Beschwingtheit in mir aus. Bewusst wähle ich heute als Parfüm meinen "Sommer-Duft“ aus. Während des ganzen Tages nimmt meine Nase immer wieder seinen frischen, leichten Duft wahr, der in mir die Assoziationen von Wasser, Leichtigkeit und Erfrischung wach ruft.
#4 Tief versunken und durchgerumpelt
Ich sitze im Bus und lese das Programmheft zum heutigen KKL-Konzert "The Lord of the Rings"-Symphony. Ich spüre die glatte Textur der Blätter unter meinen Fingerspitzen. Meine Augen versuchen den Zeilen zu folgen. Ständig werden die Buchstaben aber durch die Unebenheiten der Strasse durcheinander geschüttelt und meine Augen müssen sich ein ums andere Mal wieder neu justieren. Das Gerumpelt holt mich auch immer wieder aus meiner Versunkenheit, in welche ich beim Lesen der Musikbeschreibungen und der Erzählungen gerate. Ehrlich gesagt: Ich finde es anstrengend und nervig!
#5 Stille Freude
Vor dem KKL Luzern hat seit einiger Zeit Familie Schwan ihr Wohn- und Schlafzimmer. Sie lassen sich von uns menschlichen Zuschauern nicht stören. Sie putzen sich, reinigen die Umgebung, recken und strecken sich. Der kleine Schwan versucht, seine Flügel genau so stolz und erhaben auszuschütteln wie seine Eltern. Dabei ist er aber noch etwas wackelig auf den Beinen und plumst nach ein paar Schritten wieder hin. Ich schaue zu... staunend, schmunzelnd, voll Freude... vergessen ist Zeit und Raum... Mein Herz fühlt sich leicht und beschwingt an.
#6 Raum- und zeitlos
Zum 2. Mal diese Woche höre ich in meiner Aufgabe als Gästebetreuerin im grossen Konzertsaal des KKLs die Symphonie zu "The Lord of the Rings". Nachdem ich im Bus das Begleitheft dazu gelesen habe, versuche ich nun die beschriebenen Geschichten aus der Musik herauszuhören. Zu Beginn spüre ich noch gut unter meinem Gesäss die Holztreppe, auf der ich sitze. Ich versinke aber mehr und mehr in der Musik, bis sich Raum und Zeit beginnen aufzulösen. Aussenraum und mein Körper-Innenraum sind erfüllt von Musik. Bewusst wird mir das aber erst, als sich jemand in meiner Nähe bewegt und ich aus dieser Versunkenheit zurückgeholt werde.
#7 Grenzenlos überfordert
Unterwegs nach dem Konzert zum Znachtessen. Als ich aus der KKL Türe trete, überschlagen sich die Sinneseindrücke: Viele Passanten queren den Platz. Eine kleine Gruppe Alphorn Bläser spielt. Es wird geredet und gelacht. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Die Sonne strahlt und blendet meine an das gedämpftes Licht des Konzertsaals gewöhnten Augen... Ich fühle mich einen Moment lang überfordert und verunsichert. Der Wechsel vom raum- und zeitlosen Zustand im Saal zur Konfrontation mit der Aussenwelt ist intensiv. Ich realisiere, dass ich noch zu stark mit dem Aussen verbunden bin und zuerst wieder meine Körper-Grenzen wahrnehmen muss. Dabei hilft mir das bewusste Essen, Kauen und Schmecken beim Znacht.
#8 Musikgenuss für die Füsse
"Lord of the Ring“-Symphony zum Dritten: Ich bin heute auch beim Abendkonzert im Saal dabei. Dieses Mal aber nicht auf einem der Balkone sondern im Parterre vorne. Meine Augen nehme dadurch eine ganz andere Perspektive der Musiker und des Chors wahr. Ich staune, wie gross und gewaltig sich aus dieser Sitzposition vor allem der Chor anfühlt.
Rückblickend merke ich, dass ich mich in Erwartung, wieder mit der Musik zu verschmelzen, hingesetzt habe. Umso überraschter war ich, als ich die Musik plötzlich unter meinen Füssen spürte. Die Trommel- und Pauken-Schläge wurden über den Holzboden zu mir geleitet und ich konnte sie - in unterschiedlichen Nuancen - über meine Fusssohlen und dem Gesäss wahrnehmen. Auch eine Variante, Musik zu hören!
Meine 8SAMMELN-Erkenntnis des Tages
Aus den heutigen Erfahrungen nehme ich vor allem zwei Dinge mit:
- Es ist wichtig, sich seiner Körper- und Mind-Grenzen bewusst zu sein. Im Normalfall sind wir gut bei uns und in unserem Körper eingebettet. Wir spüren, wenn wir Hunger oder Durst haben, müde, aufgebracht, traurig oder nervös sind. Aus dieser Position richten wir unserer Aufmerksamkeit auf das Aussen und wechseln situativ vom Aussen zum Innen und umgekehrt. Im meditativen Zustand, bei Hypersensibilität oder auch wenn wir stark gestresst sind, lösen sich diese Grenzen jedoch mehr oder weniger stark auf. Wir spüren entweder Körper und Aussen als ein Ganzes oder sind nur im Aussen und verlieren den Kontakt zu unserem Körper - und damit auch zu unserer Mitte und unseren Bedürfnissen. Indem wir uns unseres Körpers und seinen Grenzen wieder bewusst werden, können wir wieder den Unterschied zwischen Innen und Aussen wahrnehmen und aktiv selber entscheiden, auf was wir gerade die Aufmerksamkeit richten wollen und wo unsere Bedürfnisse liegen.
- Lasse ich mich auf den Tag und seine Aktivitäten bewusst und achtsam ein, kann ich auch in repetitiven und vermeintlichen „gleichen“ Dingen Unterschiede erkennen und Überraschungen erleben. Gleich ist nicht gleich! Der Unterschied macht die Offenheit und Neugier, wie ich ihnen begegne.
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