8 Sinnes-Momente am 08.09.2024
Mein Atem- und Blog-Kollegin Susanne Wagner ruft bekanntlich jeweils am 8. des Monats zum "Sammeln" von acht Momenten mit all unseren Sinnen während des Tages auf. Mit diesem 8SAMMELN kann ich mich in Achtsamkeit üben. Ich nehme die Dinge und meine Umgebung bewusst wahr, ohne zu urteilen. Neugierig und offen - wie wenn ich sie zum ersten Mal sehen würde. Das hilft mir, aus dem Autopilot zu kommen, im Moment zu leben und weniger reflexartig auf äussere oder innere Reize zu reagieren.
Heute besuche ich am Nachmittag eine Familien-Geburtstags-Feier, die bis in den Abend hinein geht. Deshalb nutze ich den Morgen bewusst für mich. Ich bin auch dieses Mal wieder sehr neugierig, wie es mir gelingt, während des heutigen Tages achtsam die verschiedenen Momente wahrzunehmen, und was ich dabei erlebe.
#1 Dehnen der Handflächen
Vor der Meditation mache ich eine kleine Atemübung, die ich kürzlich kennengelernt habe. Ich dehnen dazu meine Handinnenfläche auf, bin ganz anwesend in meiner Hand und löst die Dehnung wieder. Ich spüre das sanfte Ziehen über die Handinnenfläche bis in den kleinen Finger und beobachte das anschliessende Beugen meiner Finger. Bereits nach einigen Malen spüre ich, wie mein Atem auf diese Bewegung reagiert und ich beim Aufdehnen der Hand tief einatme. Der Atem füllt meinen ganzen Brustraum, bis in die hinterste Ecke, bevor er ihn wieder ebenso sanft und langsam verlässt. Es fühlt sich an, als ob meine sich bewegende Hand und mein atmender Brustkorb eins wären, gewiegt vom Ein- und Ausatmen.
#2 Meditationshilfe
Wenn ich mich morgens auf mein Meditationskissen setze, dauert es oft nicht lange und unsere Katzendame gesellt sich dazu. Oftmals nutzt sie diese Gelegenheit, um ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Heute bleibt sie liegen und ich spüre unter meinen Händen ihr samtiges Fell und das leise Vibrieren ihres Schnurrens. Ich lasse mich aufs Kissen sinken, spüre mein Körper mehr und mehr einsinkt und lege die Aufmerksamkeit auf den Atem. Er strömt noch etwas zähflüssig über meine Nase in den Körper ein und verlässt ihn mit einem hörbaren Laut über den Mund. Ich lasse mir und ihm Zeit, um anzukommen und unseren Rhythmus zu finden.
#3 Lebendiges Gesicht
Bei der Morgentoilette creme ich meine Haut ein. Ich nehme den sanften Druck meiner Hände wahr und die kreisenden Bewegungen. Durch die Creme gleiten sie geschmeidig über meine Gesichtshaut. Ich spüre die verschiedenen knöchernen Strukturen darunter. Die massierenden Bewegungen empfinde ich als sehr wohltuend und so gebe ich mich dem, ganz bewusst einen Moment lang hin. Danach prickelt mein Gesicht und fühlt sich angenehm lebendig an.
#4 Becken-Kraft und Becken-Halt
Ich breche auf zu einer morgendlichen Walking Runde. Meine Beine greifen weit aus, meine Arme stossen die Stöcke kräftig vom Boden ab und ich finde Schritt für Schritt zu meinem Geh- und Atem-Rhythmus. Meine Lungen füllen sich mit Sauerstoff. Mein Brustkorb weitet sich. Ich gebe dem Bedürfnis nach, kräftig über den Mund auszuatmen. Ich weiss mittlerweile, dass mir dies hilft, meinen Atem-Rhythmus zu finden und das Geh-Tempo mit dem Atem in Einklang zu bringen. Beim Gehen spüre ich meinen Beckenraum. Ich nehme wahr, wie ich durch jeden weitausholenden Schritt mehr und mehr in diesen Raum einsinke und wie er mir im Gegenzug Stabilität und Kraft schenkt. Ich geniesse es zu spüren, dass ich mittlerweile dieser Kraft und diesem Halt vertraue und die Energie nicht mehr wie früher im Schultergürtel bündeln muss.
#5 Atmet es im Bauch?
Ich warte bis all meine Begleiter zur Abreise bereit sind und stütze mich mit den Ellbogen auf einer Stuhllehne ab. Dabei wandert meine Aufmerksamkeit durch meinen Körper und bleibt in der Bauchregion hängen. Ich spüre ein sanfter, aber unnachgiebiger Druck. Spüre ich dort Atembewegungen? Es fühlt sich nicht so an, obwohl ich eigentlich den Eindruck habe, dass mein Atem ungehindert bis in den Bauch fliessen kann. Spanne ich die Bauchmuskulatur an? Ich meinte eigentlich nicht, bin nun aber doch etwas verunsichert. Ich merke, es fällt mir gerade schwer, meinen Atem und seine Bewegungen so anzunehmen, wie sie sich gerade zeigen. Ich habe etwas anderes erwartet und möchte instinktiv korrigierend eingreifen.
#6 Sitzendes Innehalten
Es gibt Kaffee und Kuchen. Es ist ein ziemliches Durcheinander und Gewurstel, bis alle ihr Getränk und Dessert haben. Ich stehe wartend etwas abseits, würde ich sitzen, wäre ich möglicherweise im Weg. Ich spüre eine Ruhe und Gelassenheit in mir. Vielleicht weil ich mich nicht zwischen den verschiedenen Süssspeisen entscheiden muss? Das kleine Chaos beim Verteilen entlockt in mir ein Schmunzeln. Es "versüsst" mir das Warten, bis ich endlich Platz nehmen kann. Als es dann soweit ist, nehme ich beim Hinsetzen meine Sitzbeinhöcker und die Weichheit des Stuhlkissens wahr. Mehr und mehr kann ich mein Körpergewicht dem Stuhl übergeben. Ich merke, dass ich das geniesse - dieses Loslassen und Getragen werden, und bleibe einen Moment dabei.
#7 Geburtstags-Geschnatter
Etwas später wird der Tisch fürs Nachtessen vorbereitet. Es ist ein ständiges Hin und Her. Bewegungen, Gesprächsfetzen, Diskussionen, Anweisungen und gewohnheitsmässiges Ausführen... Nahe Stimmen, ferne Stimmen... Laut, leise... Stehende Bewegungen, Innehalten, Abwarten, Geschirr entgegennehmen... Meine Ohren haben sich gerade diesen chaotischen Moment ausgesucht, um achtsam zuzuhören. Aber es ist definitiv zu viel des Guten. Sie können nichts auseinander halten. Irgendwie fühlt sich für sie gerade alles viel zu laut und intensiv an.
#8 Verführerischer Duft des Basilikums
Versunken in einem Gespräch erhascht meine Nase einen Duft - den warmen, intensiven Duft von Basilikum! Aber wo ist er? Meine Augen suchen die Gegend ab und sehen nichts. Habe ich mich eventuell getäuscht? Aber nein... Nur wenig später zeigt er sich grün-leuchtend auf den roten Tomaten und weissen Mozzarella Kugeln und sein Duft strömt nochmals durch meine Nase. Ich könnte mich satt riechen daran...
Meine 8SAMMELN-Erkenntnis des Tages
Beim heutigen 8SAMMELN fällt mir ganz krass der Unterschied auf, zwischen dem Moment wahrnehmen und allein sein oder in einer Gruppe von nahestehenden Menschen. Was ohne Gesellschaft meist wunderbar geht, funktioniert heute im Trubel einer Geburtstagsfeier nur sehr, sehr eingeschränkt. Ich bin stark im Aussen mit meiner Aufmerksamkeit und es fällt mir schwer, mich auf meine Sinneswahrnehmungen zu fokussieren und einen Moment dabei zu bleiben. Die Reize im Aussen sind stark, vielfältig und temporeich. Sie interessieren mich und ich will nichts verpassen. Gleichzeitig lösen sie in mir ein Gefühl von Leichtigkeit und Fröhlichkeit aus. Ich merke, dass es gut und stimmig ist, wie meine Aufmerksamkeit gerade verteilt ist bzw. war.
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Susanne Wagner Atemsinn (Sonntag, 15 September 2024 10:22)
Liebe Eveline
Was für ein wunderbares Buffet an Wahrnehmungen tischst du uns auf! So habe ich beim Lesen Basilikum gerochen, meine Hand hat sich gedehnt und meinen Einatem gelockt. Ich war mit dir an der Grenze vom «Zuviel» von aussen und im süssen Sonntagstrubel.
Besonders gefällt mir deine Beschreibung des körpergerechten Sitzens und Gehens! Ich lächle und bin so stolz auf dich, wie du deine Erfahrungen als ganzer Mensch machst und (mit-)teilst! Das ist Dünger für die Körperwahrnehmung und das Atembewusstsein all deiner Leser:innen. Ich spüre grosse Dankbarkeit, dass wir uns über die Atemtherapie kennengelernt haben!
Schönen Sonntag in Achtsamkeit wünscht dir
Susanne